Unser neues Rehasport-Buch wurde im Mai veröffentlicht und wir sind stolz, dass es nicht nur ein trockenes Fachbuch zu den Voraussetzungen und Regelungen in der Rahmenvereinbarungen geworden ist, sondern auch interessante Einblicke in den Rehasport anhand von fünf realen Praxisbeispielen von langjährigen Netzwerkpartner*innen des Team Rehasport gewährt. Für uns Autorinnen waren die Interviews eine willkommene Abwechslung, nachdem wir einige Kapitel mit viel Recherche-Arbeit und lästigen Formulierungsaufwand hinter uns hatten. Dementsprechend ließen wir uns nicht lange bitten, als es hieß unsere Partner-Einrichtungen zu besuchen und ausführliche Interviews über die Erfahrungen, Stolpersteine, Strategien und Erfolgsrezepte unserer Netzwerkpartner zu führen.
Fünf unserer Rehasport-Anbieter aus unserem Netzwerk durften wir Autorinnen besuchen, interviewen und uns über die individuellen Erfahrungen im Rehasport austauschen, so dass wir reichlich Material und Erkenntnisse für uns gewinnen konnten, die wir in dem neuen Buch verarbeitet haben.
Jede Einrichtung, welche wir interviewen durften, bietet schon mehrere Jahre Rehasport erfolgreich an und hat die typischen ersten Stolpersteine und Hürden im Rehasport überwunden und einen individuellen Entwicklungsprozess durchlaufen. Was können wir also aus dem Erfahrungsschatz unserer Praxisbeispiele lernen?
Interview mit Andrea Gardonyi vom AC Forst
Unser erstes Interview führte uns im Januar in den Schwarzwald zum Athletenclub Forst e.V., der schon in der ersten Bundesliga im Gewichtheben aktiv war. Über die Vision von Frau Gardonyi, Rehasport anzubieten, hat der AC Forst seit 2018 eine ganz neue Zielgruppe über den Rehasport von Menschen mit Vorerkrankungen gewonnen.
Wir wurden von den beiden Übungsleiterinnen Frau Gardonyi und Frau Birkenbach und 2 Rehasport-Gruppen sehr herzlich empfangen, haben den Gruppenwechsel bzw. Check-in per MyYolo-Software beobachten können und waren gleich mittendrin in der Rehasport-Stunde mit 15 Teilnehmenden. Viel Spaß hatten wir beim Fotoshooting mit der Gruppe und die Teilnehmer*innen teilten unsere Experimentierfreude mit Kleingeräten ein möglichst aussagekräftiges Gruppen-Bild zu bekommen. Eine Langhantel haben wir nicht zu Gesicht bekommen, dafür viele motivierte und gut gelaunte Menschen, die sich beim AC Forst zu den Rehasport-Stunden trafen. Anschließend hat sich Frau Gardonyi für uns Zeit genommen und uns sehr offen alle Fragen bei dem ein oder anderen Cappuccino in dem Vereinslokal des AC Forst beantwortet.
Bunt gemischte Gruppe funktionieren gut
Frau Gardonyi hat uns ihre Geschichte erzählt, wie sie nach einem Unfall selbst wieder auf die Beine kommen musste und diese Erfahrung an ihre Rehasportler*innen weitergeben möchte. „Der Sport hat mir damals sehr weitergeholfen in mein Leben zurückzufinden“, erinnert sie sich. Ihr war es 2018 wichtig, das Vereinsangebot des AC Forst um ein wichtiges Angebot zu erweitern und auch für Menschen mit Vorerkrankungen ein Gesundheitsangebot über ärztliche Verordnung anzubieten. Es wird viel Wert auf ein geselliges Miteinander gelegt und wir waren bei unserem Besuch begeistert, wie gut die Gruppe auch sportlich harmonierte, obwohl hier Teilnehmer jeden Alters mit ganz unterschiedlichen Diagnosen trainierten. Während der Gruppenstunde schien jeder einzelne Teilnehmer genau zu wissen, wie er die einzelnen Übungen für sich variieren konnte, so dass kein Teilnehmender aussetzen musste. Egal ob Gangunsicherheit, Schulterschmerzen, Adipositas oder Rückenschmerzen, alle Teilnehmer*innen fühlten sich wohl in der Gruppe und arbeiteten an ihrem individuellen Ziel. Wie bekommt man die Unterschiedlichen Bedürfnisse der Teilnehmenden so gut unter einen Hut? „Wir legen viel Wert auf die Beratung unserer Teilnehmer*innen und coachen sie regelrecht, damit sie ihre Ziele erreichen. Es kann gut sein, dass man bei uns während oder nach der Gruppenstunde noch eine individuelle Hausaufgabe mit auf den Weg bekommt. Bei uns gibt’s keine Massenabfertigung, das schätzen unsere Teilnehmer*innen sehr und kommen dann auch regelmäßig.“ erklärt Frau Gardonyi.
Rehasportler*innen nicht unterfordern
Frau Gardonyi war nach einem Unfall selbst in der Situation sich buchstäblich aus dem Rollstuhl wieder in den Sport hochkämpfen zu müssen und weiß genau, wovon sie spricht. Durch ihre eigene Erfahrung kann sie den Teilnehmer*innen die Angst vorm Sport nehmen. Schmerzpatienten den Weg zum Sport zu ebnen ist für sie eine erfüllende Herausforderung, der sie sich immer wieder gerne widmet. „Wir haben manche Teilnehmer*innen, welche austherapiert sind. Es motiviert mich, wenn ich sehe, wie diese Teilnehmer*innen im Verlauf der 50 Rehasport-Einheiten ihre Ziele erreichen.“ schildert sie uns. „Wir führen hier auch Übungen wie das Planken durch, jeder am Anfang so wie er kann. Ist es nicht möglich, erarbeiten wir eine Alternativübung. Bei uns muss nicht alles perfekt sein, deshalb kommen die Leute so gerne zu uns.“ Wichtig ist es ihr die Teilnehmer*innen aufgrund ihrer Erkrankung auch nicht zu unterfordern. „Bei uns wird jeder dort abgeholt, wo er steht und wir gehen auf die Teilnehmer*innen ein.“ erläutert Andrea Gardonyi. Da viele Teilnehmer*innen schwerhörig sind, ist es für sie selbstverständlich, die Gruppen mit Mikrofon anzuleiten.
Volle Gruppen-Auslastung durch Anreize
Am brennendsten hat uns natürlich interessiert, wie Frau Gardonyi es schafft, dass ihre acht Rehasport-Gruppen maximal ausgelastet sind. „Der Spaß in der Gruppe darf natürlich nicht zu kurz kommen. Damit es nicht langweilig wird, versuche ich immer wieder Anreize zu setzen-das motiviert!“ Sie plant ihre Gruppeninhalte in Blöcken von 6 Wochen, damit es abwechslungsreich bleibt und informiert ihre Teilnehmer, welches Kleingerät beim nächsten Mal zum Einsatz kommt. „Mich freut es, wie gut die Gruppen zusammengewachsen sind.“, schwärmt Frau Gardonyi. Sie verschickt gerne am Tag vorher nochmal motivierende Nachrichten an die Gruppe, informiert über den Schwerpunkt in der nächsten Stunde und fragt ab wer alles dabei ist. Das erzeugt eine große Verbindlichkeit. „Das hört sich nach viel Aufwand an, aber macht mir auch einfach Spaß.“ Zeitweise konnte die Halle nicht genutzt werden und sie mussten kreativ werden. „Wir haben per Video eine Rücken-Challenge durchgeführt. Das war nicht nur spaßig, sondern hat die Rehasportler*innen motiviert am Ball zu bleiben und ihr Kräftigungsziel der Rückenmuskulatur zu erreichen.“ erzählt Frau Gardonyi.
Klare Regeln helfen
Wie geht sie mit Teilnehmer*innen um, welche Häufig fehlen? Hier gibt es ein klares Vorgehen: „Unsere Rehasportler*innen werden von Anfang an sehr gut über die Inhalte und Regeln im Rehasport aufgeklärt. Nur dann können wir uns auch später auf die Regeln beziehen und konsequent handeln. Dafür nehmen wir uns viel Zeit. Jeder kann mal krank sein, aber ein häufiges Fehlen stellt auf Dauer ein Problem dar für uns als Anbieter. Wir sprechen dies unter 4 Augen an oder klären dies telefonisch oder per E-Mail. Die Teilnehmer*innen können sich dann entscheiden zuzusichern zukünftig regelmäßig teilzunehmen oder ihren Platz in der Gruppe an jemand anderen freigegeben.“ Angesichts der erstaunlichen Gruppen-Auslastung beim AC Forst scheint das Konzept aufzugehen.
Mangelware Übungsleitungen
Frau Gardonyis größte Herausforderung momentan ist, dass sie aufgrund des aktuellen Übungsleiter-Mangels keine Übungsleiter*innen findet. „Ich habe so viele Anfragen von Rehasport-Interessenten und würde gerne das Angebot ausweiten. Das ist sehr frustrierend, dass wir keine qualifizierte Übungsleitung finden.“
Während des Interviews hat uns Frau Gardonyi noch vieles mehr aus ihrem wertvollen Erfahrungsschatz Preis gegeben. Sie hat unsere Fragen zu den ersten Stolpersteinen, Lektionen die sie gelernt hat, zur Bewerbung des Angebotes, zur Organisation, der Vergütung und zur Aufgabenverteilung beantwortet, die in vollem Umfang in unserem Rehasport-Buch nachlesbar sind.
Meine Kollegin und ich sind nachhaltig beeindruckt zurück nach Leinfelden-Echterdingen gefahren. Für uns ist der AC Forst ein wunderbares Beispiel wie erfolgreich Rehasport sein kann, wenn er von Übungsleitungen und Rehasport-Verantwortlichen wirksam organisiert wird und das Mindset der Übungsleitungen stimmt. Viele Empfehlungen aus unseren Online-Schulungen wurden hier 1:1 umgesetzt und führen zu einem nachhaltig erfolgreichen Angebot, welches das Vereinsangebot und die Gesundheitsversorgung im Ort bereichert.
Wir bedanken uns ganz herzlich für die offenen Worte von Frau Gardonyi, Frau Birkenbach und den Teilnehmer*innen der beiden Rehasport-Gruppen.