Arztakquise im Lockdown – eine gute Idee?
-Erfahrungsbericht unserer Kollegin Anne Seyfert aus der Praxis-
Die Anfrage nach Arztakquise mitten im zweiten Lockdown, zu Zeiten der höchsten Ansteckungszahlen, kam mir im ersten Moment unpassend vor. Mir vorzustellen, jetzt in Arztpraxen anzurufen und um Termine zu bitten, den Rehasport zu erklären, fiel mir schwer.
Sportstudio Zeiß aus Rimbach wagt das „Arztakquisen-Abenteuer"
Nach dem Vorgespräch mit der Rehasport-Abteilung verstand ich, warum eine Arztakquise für die Abteilung gerade jetzt Sinn machen würde. Die Abteilung bietet auch während des Lockdowns Rehasport an, nur leider wissen das weder die Teilnehmenden noch die Ärztinnen und Ärzte. Eine Arztakquise wäre sinnvoll – doch ich war weiter skeptisch.
Die Vorbereitungen beginnen
Das änderte sich zum ersten Mal, als ich die Arztpraxen anrief, um die Termine zu vereinbaren. In normalen Zeiten erreiche ich eine Terminquote von ca. 75 %. Diesmal rechnete ich eigentlich damit, dass ich überhaupt keinen Termin bekommen würde. Doch ich konnte eine Quote von 67 % erreichen. Nur 2 Arztpraxen sagten am Telefon, dass sie in der momentanen Lage keine Termine vergeben würden. Bei den anderen war die Terminvergabe kein Problem. Ich hatte Termine – und war überrascht.
In der Vorbereitung legte ich diesmal meinen Fokus auf die Argumentation, warum Rehasport gerade jetzt durchführbar und auch mit Hinblick auf die Risikogruppen sinnvoll wäre. Ich ging innerlich eher in eine Verteidigungshaltung mit Stichworten wie „medizinisch notwendig“, „umfangreiches Hygienekonzept“ und „systemrelevant“.
Arztakquise überrascht positiv
Was mich dann am Tag der Arztgespräche erwartete, erstaunte mich komplett. Für das ärztliche Fachpersonal war es völlig selbstverständlich, mich zu empfangen – natürlich mit Desinfektion, Maske und Abstand.
Die Nachricht, dass der Rehasport in ihrer Nähe weiter stattfände, haben die Ärztinnen und Ärzte erleichtert und mit großer Dankbarkeit aufgenommen.
Drei Aspekte sind mir dabei aufgefallen:
- Sie wussten schlicht und ergreifend nicht, dass der Rehasport weiter stattfinden darf und auch umgesetzt wird
- Sie sehen Bewegung als Präventionsmöglichkeit im Hinblick auf die Pandemie. Nicht nur die Bewegung an sich hat positive Auswirkungen, sondern auch die damit einhergehende Stärkung des Immunsystems
- Sie haben gerade jetzt einen viel höheren Bedarf, ihren Patientinnen und Patienten Rehasport zu verordnen
Negative Auswirkungen des Lockdowns – Erfahrungen der Ärztinnen und Ärzte
Auf den dritten Punkt möchte ich noch näher eingehen. Viele Ärztinnen und Ärzte spüren schon jetzt, dass der Lockdown negative gesundheitliche Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Es kommt ihren Erfahrungen nach zu einer signifikanten Steigerung von Verspannungen, Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes. Alles aufgrund von zu wenig Bewegung. Viele Möglichkeiten zum Sporttreiben und sich zu bewegen sind untersagt, und man muss schon sehr motiviert und diszipliniert sein, um sich zuhause umfassend zu bewegen. Einen weiteren Aspekt, den ein Arzt ansprach, fand ich interessant. Er meinte, dass durch das erhöhte Aufkommen von orthopädischen Diagnosen die Physiotherapeuten so unter Druck stünden, dass viele erst wieder Termine in mehreren Wochen vergeben könnten. Die Möglichkeit, die Patientinnen und Patienten zum Rehasport schicken zu können, sei deshalb eine Erleichterung.
Arztakquise und Rehasport #geradejetzt
Den meisten Ärztinnen und Ärzten ist bewusst, dass Bewegung, z. B. in Form des Rehasports, für viele Personen zu einer Verbesserung ihres Gesundheitszustands und damit ihrer Lebensqualität beiträgt. Der Rehasport kann gerade in der jetzigen Zeit aber noch etwas anderes: Normalität erzeugen. Die Möglichkeit, dass man sich in der Gruppe trifft und bewegt, wirkt auch der zunehmenden Vereinsamung mancher Bevölkerungsgruppen entgegen.
Es war also ein für alle Seiten erfolgreicher Tag. Manchmal entspricht die Realität nicht den Erwartungen, denn manchmal läuft es sogar viel besser 😉